Straubing. Es ist kurz vor zwölf, das Summen der Schulglocke liegt noch in der Luft. Während andere Schüler in die Mensa strömen, binden Lukas und Anna ihre Schlittschuhe fest. Der Duft von Kreide und Pausenbrot ist dem kalten Atem des Eisstadions am Pulverturm gewichen. „Schneller, Leute! Heute arbeiten wir an der Schusstechnik“, ruft Trainer Benedikt Brückner über das Eis, während die ersten Pucks gegen die Bande knallen.
Für die Jugendlichen ist dieses Freitagstraining mehr als nur Sport. Es ist Teil einer besonderen Kooperation zwischen dem EHC Straubing und mehreren Schulen der Region. Die Idee: Talente auf dem Eis fördern, ohne dass die Leistungen im Klassenzimmer darunter leiden.
Privileg mit klaren Bedingungen
Das Training mitten in der Schulzeit ist bewusst als Privileg gedacht. „Wer hier aufläuft, weiß: Schule kommt zuerst“, sagt der sportliche Leiter Benedikt Brückner. Nur Schüler*innen mit mindestens durchschnittlichen Noten und tadellosem Verhalten dürfen aufs Eis. „Wir wollen keine Überforderung, sondern Verantwortungsbewusstsein. Frühtraining gibt es nur, wenn die schulische Basis stimmt.“
Die Botschaft kommt an. „Manchmal hätte ich Lust, nach dem Training nur noch die Füße hochzulegen“, gibt Anna zu. „Aber wenn ich meine Hausaufgaben nicht mache, ist die Chance hier ganz schnell weg. Das spornt mich an.“
Schule und Sport im Einklang
Von Oktober bis März gibt es insgesamt zwölf garantierte Trainingseinheiten. Zehn davon fallen bewusst in die Unterrichtszeit, weitere können in der Playoff-Phase hinzukommen. Versäumte Stunden müssen nachgearbeitet werden, oft am Wochenende. „Das wird anstrengend, aber man gewöhnt sich bestimmt schnell daran“, sagt Ludwig, der seit fünf Jahren im EHC-Nachwuchs spielt. „Und am Ende lohnt es sich.“
Der Verein achtet darauf, dass die Jugendlichen nicht allein gelassen werden. Klassenarbeiten haben Vorrang, Absprachen zwischen Lehrkräften, Eltern und Trainern gehören zum Alltag. „Die Kooperation lebt von Kommunikation“, erklärt die Geschäftsstellenleitung Theresa Brückner.
Mehr als Technik und Taktik
Auf dem Eis wird präzise gearbeitet: Techniktraining, Kleinfeldspiele, individuelle Taktik. Doch es geht um mehr. „Wir wollen Persönlichkeiten formen, nicht nur Spieler“, sagt Cody Lampl. Deshalb trainieren Jahrgänge gemeinsam, lernen voneinander und wachsen als Team.
Zukunftspläne gibt es auch schon: Eine Hausaufgabenbetreuung direkt im Stadion, Lernpaten und Nachhilfelehrer sollen die Doppelbelastung erleichtern. „Das würde uns sehr helfen“, meint Sarah. „Manchmal ist es schwer, Schule und Sport unter einen Hut zu bringen.“
Signalwirkung für die Region
Der EHC Straubing will mit dem Projekt mehr als Talente entwickeln – er möchte ein Zeichen setzen. „Leistungssport und Bildung sind kein Widerspruch“, betont Benedikt Brückner. „Wir wollen zeigen, dass beides zusammengehört. Nur dann sind die Kinder langfristig erfolgreich – egal, ob auf dem Eis oder im Beruf.“
Während die letzten Pucks über das Eis gleiten, blicken die Jugendlichen schon auf ihr Wochenende – voller Hausaufgaben, aber auch voller Stolz. Denn sie wissen: Wer sich diszipliniert sowohl im Klassenzimmer als auch auf dem Eis behauptet, der hat mehr als nur eine Sportart gelernt. Er hat fürs Leben gelernt.
Text/Foto: EHC